Klaus Wolschner         Texte zur Geschichte und Theorie von Medien & Gesellschaft

Über den Autor

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zu den Abschnitten

I
Medien-
Geschichte

 

2 AS Cover

Wie wir wahrnehmen,
was wir sehen: Augensinn, Bildmagie
 

ISBN 978-3-7418-5475-0

2 VR Titel

Über die Mediengeschichte der Schriftkultur und ihre Bedeutung für die
menschliche
Wirklichkeits-Konstruktion im  Jahrhundert des Auges


ISBN 978-3-7375-8922-2

POP 55

Über traditionelle Herrschafts-Kommunikation
und neue Formen der Medien-Demokratie:
Wenn der Pöbel
online kommt

ISBN: 978-3-752948-72-1

2 GG Titel

Über religiöse Körpergefühle und die kommunikative Kraft
der großen Götter von Christentum, Islam und Moderne

ISBN 978-3-746756-36-3

 

Wir-Ich Titel kl2

Neue Medien,
neue Techniken des
Selbst:
Unser digitales Wir-Ich

ISBN: 978-3-754968-81-9

 

Machiavelli und die neue Sprache für ein
neues politisches Denken

2015n

Machiavellis „Il Principe“ (1513) ist geprägt von einer republikanische „Sprache“,
die eine säkulare Vorstellung von der Wirklichkeit
transportierte und
ein säkulares Selbst-Bewusstsein des politischen Gemeinwesens prägte

Machiavellis Schrift „Der Fürst“ (1513) klingt für unsere Ohren teils zynisch, teils banal. Um die Bedeutung des Textes zu verstehen, muss man sich vor Augen führen, was nicht darin steht – was das Neue ist an seiner Argumentation und Analyse. Insbesondere weil die Politik des Vatikans eben Machtpolitik ist wie die jedes anderen staatlichen Gebildes und zudem den Interessen der Republik Florenz entgegensteht, kann Machiavelli sich vollkommen lösen von der Vorstellung, dass die Machtpolitik des Papstes irgendwas zu tun haben könnte mit dem langen Arm Gottes. Fürsten berufen benutzen die Idee, ihnen sei die Macht von Gott gegeben, nur zur Legitimation.

Machiavelli leitete die Ablösung des christlich-charismatischen Herrschaftsbegriffes durch ein rationales Herrschaftsmodell vor.
Religion beurteilt Machiavelli nach dem Kriterium ihres Nutzens für das Gemeinwesen – Gottesfurcht dient der Domestizierung des Menschen.
Es geht um irdisches Glück und den Ruhm des Vaterlands, nicht um das Seelen-Heil. 

Der neuseeländische Historiker John Greville Agard (J.G.A.) Pocock hat in seinen Studien über die Bedeutung des Florentinischen Denkens einen sprachpolitischen Paradigmenwechsel beschrieben. Die vor allem auf Machiavelli zurückgehende neue Staatslehre, der neue Blickwinkel, unter dem er staatliches Handeln analysierte, dokumentierten neue Denkmuster: Nicht mehr die Idee der Vorsehung (providentia) schwebt über der Betrachtung der Geschichte, sondern menschliches Handeln und die Partizipation der Bürger an den Belangen der Gemeinschaft ist entscheidend. Machiavelli bezieht sich auf antike Diskussionen und nicht auf die theologische Tradition, ein Riss zwischen der geistlichen und der weltlichen Sphäre prägt sein Denken, auch wenn die neuen Begriffe manchmal noch unter alten Formen versteckt sind.

Der Gott des Mittelalters stand über dem menschlichen Denken, Philosophie war nur als „Magd der Theologie“ legitim. Philosophen mussten sich beeilen, nachzuweisen, dass ihr Denken letztlich die göttliche Offenbarung bestätigt. Mit dem Konstrukt einer zweiten, rein pragmatischen Wahrheit wurden Erkenntnisse etwa in der Astronomie, die nicht vereinbar waren, abgewertet, um einen Freiraum für das Denken zu schaffen.

Die Begrenztheit des Denkens war ein Thema schon der klassischen Philosophie. Platon kannte die „noesis“, das intuitive Schauen der Ideen, und stellte sie dem nur begrifflichen, methodischen Denken gegenüber – „dianoia“ – das nur pragmatische Erkenntnisse hervorbringen könne.
Diese Unterscheidung klingt bei Immanuel Kant nach, wenn er die Vernunft als oberstes Erkenntnisvermögen abgrenzt vom Verstand, mit dem nur die Wahrnehmung strukturiert wird.

Florentinische Autoren und Politiker wie Leonardo Bruni (ca. 1369–1444), Girolamo Savonarola (1452–1498), Machiavelli, Guicciardini oder Donato Giannotti (1492–1573) haben eine neue politische Sprache geprägt, in der die positive Beeinflussbarkeit des eigenen Schicksals (fortuna) durch vorhandene Tugenden und Fähigkeiten (virtù) im Zentrum stand – und die Korrumpierbarkeit (corruzione) der Tugenden für Verfallsprozesse verantwortlich machte. So bildete sich eine säkulare republikanische „Sprache“ heraus als Medium für eine säkulare Vorstellung von der Wirklichkeit und für das Selbst-Bewusstsein eines politischen Gemeinwesens.

Macchiavelli war der Sohn aus einem erfolglosen Adelsgeschlecht, er verarbeitete in seinem Buch, das er nach schwerer Folter mit verkrüppelten Händen niederschrieb, sein Scheitern in der Politik. Es entstand sozusagen unter Ausschluss jeglicher Öffentlichkeit. Gedruckt wurde „Il Principe“ erst Jahre nach seinem Tod.

 

  • Lit:
    Niccolò Machiavelli, Der Fürst
    (übersetzt von Friedrich von Oppeln-Bronikowski, Insel-Verlag)
    Robert Leicht, 500 Jahre „Der Fürst": Die Mechanik der Macht. DIE ZEIT 10.1.2013 
      
    http://pdf.zeit.de/2013/03/Machiavelli-Principe-Fuerst-500-Jahre.pdf


    zur Politik der Sprache siehe auch die Texte auf dieser Medien-Gesellschafts-Seite

    Luther - eine neue Schrift-Sprache entsteht    M-G-Link
    Sprachpolitik der Französischen Revolution   M-G-Link
    Neue Erlebnis-Kultur, neue Ordnung des Wissens   M-G-Link

    Über die alltägliche Kommunikations-Macht der Sprechakte M-G-Link
    Die Wort-Sprache als ein Instrument der Wahrnehmung   M-G-Link
    Phonetische Schrift und griechisches Denken M-G-Link
    Poco della Mirandola - Vordenker der Renaissance MG-Link